Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), kritisierte kürzlich die Bundesregierung nicht nur für ihre zaghafte Umsetzung der Energiewende. Auch die diesbezügliche Öffentlichkeitsarbeit der Politik in Sachen Energiewende sei „hundsmiserabel“.
Zwei Aspekte sind neben der zeitnahen Entwicklung eines Masterplanes zur technischen Umsetzung für den Erfolg der Energiewende von zentraler Bedeutung. Zum einen ist das die unbedingte Verlässlichkeit der politischen Grundsatzentscheidungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen. Nur so lässt sich Planungssicherheit für Investoren, Industrie, aber auch die Gesellschaft erreichen. Zum anderen ist es eine zeitnahe, transparente, glaubwürdige und dialogorientierte Kommunikation mit allen Interessensgruppen.
Die Energiewende kommt ein Jahr nach Fukushima und dem Beschluss des Atomausstiegs nur schleppend voran. Wahrzunehmen ist derzeit vor allem Chaos und Konzeptionslosigkeit auf Seite der Politik und Verunsicherung und Abwarten auf Seite von Investoren und der Industrie. Seit Monaten bestimmt das Kompetenzgerangel zwischen Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium über den richtigen Weg der Energiewende das Bild in der Öffentlichkeit. Da wurden drastische Einschnitte in der Solarförderung angekündigt, die eine erfolgreiche Photovoltaik-Industrie in Deutschland innerhalb kürzester Zeit nahezu komplett zum Erliegen gebracht und eine Reihe von Unternehmen bereits in die Insolvenz getrieben haben. Konfuse oder verschleppte Entscheidungen – Stichwort energetische Gebäudesanierung – und insgesamt ein fehlender Masterplan führen zu Planungsunsicherheit bei Industrie, Kommunen und den Bürgern.
Des weiteren fehlt eine klare Kommunikation der Bundesregierung, aber auch der Länder und Gemeinden zu Zeithorizont, Zuständigkeiten, Auswirkungen und Kosten. Die Kalkulation zukünftiger Energiekosten als Produktionsfaktor fällt Unternehmen damit schwer. “Die Verunsicherung in der Wirtschaft ist angesichts der vielen offenen Fragen groß”, meint DIHK-Chef Driftmann. “Findet sich nicht bald eine Strategie, laufen Energieversorgung, Energiesicherheit und Energiepreise absehbar aus dem Ruder.” So müssten vor allem die zuständigen Ressorts Umwelt und Wirtschaft besser koordiniert werden. Ob sich mit dem Wechsel von Peter Altmaier an die Spitze des Umweltministeriums daran etwas ändert, bleibt abzuwarten.
Unzureichende Kommunikation
Der Aufbruch in ein neues Energiezeitalter erfordert umfangreiche Veränderungen der Energie-Infrastruktur in Deutschland und wird auch in den nächsten Jahren begleitet werden von kontroversen gesellschaftlichen Diskussionen. Auch wenn über das Ziel der Energiewende mehrheitlicher gesellschaftlicher Konsens herrscht, wird es über den Weg und die Geschwindigkeit der Umsetzung immer unterschiedliche Auffassungen geben. Auch die neuen Energiekonzepte – ob zur Netzinfrastruktur oder zu Gewinnungs- und Speichertechnologien – lösen neue Konflikte und Grundsatzdebatten aus. Wissensdefizite, Unsicherheiten und Ängste in der Gesellschaft können die Veränderungsprozesse schnell lähmen. Driftmann hierzu: „Die Kommunikation (der Bundesregierung zum Thema Energiewende, Anm. des Autors) ist hundsmiserabel. Wenn man eine solch radikale Idee umsetzen will, muss man dafür auch vor Ort intensiv werben.“
Hier gilt es, Innovationen und ihre Kosten und Auswirkungen transparent zu machen und so das Vertrauen aller gesellschaftlichen Gruppierungen zu gewinnen. Von entscheidender Bedeutung für den Vertrauensaufbau ist dabei eine glaubwürdige und dialogisch orientierte Kommunikation mit allen Interessengruppen und von Anfang an. Energieanbieter und Netzbetreiber ebenso wie die Politik auf Bundes-, Landes- und Lokalebene müssen zu einem nachhaltigen Dialog mit allen Stakeholdern bereit sein, auch wenn das die Umsetzungsprozesse solcher Großprojekte beeinflussen wird. Denn neben verlässlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen ist das Vertrauen der Stakeholder Grundbedingung für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland.
Professioneller Dialog mit allen Interessengruppen
Eine klassische One-Way-Kommunikation via Pressemitteilung und Medienberichterstattung, – womöglich erst, nachdem alle wichtigen Entscheidungen getroffen wurden -, reicht dabei heute keinesfalls mehr aus. Gefragt ist stattdessen ein ganzheitlicher Kommunikationsansatz, der von Anfang an alle Seiten mit einbezieht und den proaktiven und ernst gemeinten Dialog mit den unterschiedlichen Interessengruppen auf Augenhöhe einschließt. Denn die Massenkommunikation hat sich in den letzten Jahren verändert, neben der Medienberichterstattung tragen heute vor allem Social Media zur Meinungsbildung und Partizipation bei. Es gibt keine Sender-Empfänger-Struktur mehr, jeder kann heute Sender und Empfänger zugleich sein. Das gilt nicht nur für die Politik auf Bundes-, Länder und kommunaler Ebene, sondern auch für alle an der Umsetzung der Energiewende beteiligten Unternehmen und Organisationen. Die rechtzeitige Information und Partizipation der regionalen und überregionalen Interessengruppen – in der Kommunikation spricht man hierbei von Community Relations – kann die Diskussion anstoßen und lenken bzw. moderieren, die Akzeptanz erhöhen und den Widerstand vermindern.
Kommunikationsabteilungen in Politik, Unternehmen und Organisationen sollten sich spätestens jetzt Gedanken machen über neue Instrumente und Kanäle der Kommunikation. Zusätzlich zur klassischen Pressearbeit ist ein ganzheitlicher Kommunikationsansatz gefordert. Neue Formen der dialogischen Kommunikation müssen in den Kommunikationsmix aufgenommen, an sozialen Netzwerken muss proaktiv teilgenommen werden.
Die Vernetzung nicht nur mit potenziellen Kunden, sondern auch mit Partnern, Unterstützern, Mitarbeitern, der Politik, und auch Kritikern ist von zentraler Bedeutung. Neben dem richtigen Zeitpunkt und der Form der Kommunikation müssen auch die Botschaften und Argumente genau geplant und auf ihre Verständlichkeit überprüft werden. Ohne professionelle und zeitgenaue Kommunikation wird die Energiewende nur schwerlich umgesetzt werden können. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte in dem Zusammenhang: “Einige Unternehmen haben bereits begriffen, dass sie nicht nur mehr Ingenieure, sondern auch mehr Kommunikationsprofis brauchen werden, wenn Infrastrukturprojekte nicht in Gerichtsakten versinken sollen”, (SZ, 16.4.2011). Neben einem Dialog auf Augenhöhe gehört aber auch Kompromissbereitschaft auf allen Seiten zu den Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Mit „Basta“-Politik oder Fundamentalopposition ist niemandem geholfen.