Die Süddeutsche Zeitung berichtet am 14.05.18 ausführlich von unserem Plogging-Event…für alle Nichtabonenten hier der Text (von Philipp Crone):
Drei Kilo pro Stunde
Die Beute ist zum Greifen nahe. Nur greift niemand danach. Bis jetzt.
Frank Brodmerkel steht am Sonntagvormittag um 11 Uhr vor dem Milchhäusl-Kiosk, am Eingang zum Englischen Garten, Veterinärstraße. Er hat Handschuhe übergestreift, eine Plastiktüte parat und spricht noch kurz einen Gruß in die Runde. Gekommen ist ein Dutzend Freiwilliger, die beim „Münchner Plogging Mob“ gleich mitmachen wird. Plogging, die Kombination von Jogging und dem schwedischen Begriff Plocka für Aufheben, wird mittlerweile in vielen Städten betrieben, nun also auch in München. Während Brodmerkel kurz die Spielregeln erklärt, läuft ein Teil der „Beute“ an ihm vorbei, wie er das nennt. Hunderte Münchner sind zu Fuß auf dem Weg in den Park, jeder zweite trägt entweder einen Kaffee- oder Eisbecher mit sich.
Das Ziel der Plogger: Sport und Sammeln. Das Vorgehen an diesem Vormittag: Müll in Tüten stopfen und sich nach einer Stunde wieder am Ausgangspunkt treffen. Wie viel Müll findet man an so einem sonnigen Sonntag, an dessen Vorabend Tausende draußen saßen auf Münchens Plätzen und Parks und ebenso Tausende am Ende sich nicht mehr verantwortlich fühlten für das Leere, was sie in Form von Flaschen oder Plastikpackungen zu Beginn noch voll hergebracht hatten? Um fünf nach elf geht es los, und die Frage lautet nicht, wer gewinnt, sondern eher: Was gewinnt. Flaschen? Löffel? Brodmerkel schickt seine Mannschaft los und erzählt noch, dass er vorab mit dem Leiter des Parks gesprochen habe. „Der sagte, dass wir gerne öfter zum Aufräumen kommen dürfen.“
Nicht nur im Englischen Garten kommt die städtische Müll-Entsorgung nicht hinterher. In Köln haben neulich die Abfallwirtschaftsbetriebe an einem Wochenende 20 Tonnen Müll aus den Parks geholt, in Hamburg kostet die zusätzliche Reinigung öffentlicher Flächen laut Brodmerkel jährlich 27 Millionen Euro, und in München, der so sauberen Stadt?
An der Isar ist es ja ein gewohntes Bild: Samstag und Sonntag in der Früh zieht die orangefarbene Reinigungskarawane von der Tierparkbrücke bis zum Deutschen Museum und sammelt Tonnen von Dreck ein. An diesem Vormittag machen sich nun auch zwei Jogger auf, der 46-jährige Content-Manager Rainer Volpert und der 35-jährige Bibliothekar Kai Scheuing. Sie schließen sich spontan der Gruppe an. „Hier ist ja der Party-Bereich“, sagt Volpert, „wir laufen zum Aumeister, da ist es dann wieder wunderschön, weil kein Müll rumliegt.“ Scheuing sagt: „Es fühlt sich meist eben niemand verantwortlich. Wie oft erlebe ich das, dass in einer Tram eine leere Flasche minutenlang herumrollt auf dem Boden, bis ich sie aufhebe.“ Aufräumen soll cool werden, das ist ein Ziel.
Brodmerkel möchte nicht nur Müll sammeln, sondern auch das Image derjenigen verbessern, die sich verantwortlich fühlen. „Man wird ja noch komisch angeschaut, wenn man etwas vom Boden aufhebt und wegwirft.“ Neben ihm startet die Übersetzerin Geneviève Granger zum Sammeln, sie geht zu Fuß, „eher ein Plalking“ nennt sie das. Granger hat sich informiert, Plogging ist anstrengend, das dauernde Bücken wirkt wie Krafttraining. „In anderen Städten gibt es schon Gruppen, die täglich ploggen“, sagt eine Frau, eine andere hat sich extra einen Aufspieß-Stab gebastelt.
Ein Hund trabt vorbei, kackt in die Wiese, der Besitzer geht hinterher, schaut sich um, ob jemand das gesehen hat, nein, also geht er weiter. Die Gruppe hat sich derweil auf den Weg gemacht, zwei ältere Frauen zu Fuß, das Aumeister-Duo ist enteilt, man geht, joggt, schaut, hebt auf, „das hat etwas Meditatives“, sagt ein Teilnehmer.
Eine Stunde später sind die Läufer zurück, mit vollen Tüten. Sie wurden von Passanten angesprochen und gelobt, jeder hat etwa drei Kilogramm gesammelt und eine Schneise der Sauberkeit hinterlassen. Vor allem sind das Flaschen, Scherben, Kronkorken und Zigarettenstummel. Die Runde will das jetzt regelmäßig machen und auf Facebook zum Münchner Plogging Mob aufrufen.
Weiter strömen an diesem Sonntag Tausende in den Park. 3,5 Millionen sind es im Jahr. Wenn jeder nur ein bisschen Müll einsammeln würde . . .
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