Bedeutet die digitale Transformation das Ende der klassischen Pressearbeit? Auch wenn diese Frage sicher überspitzt ist, so führt die immer schneller fortschreitende Digitalisierung der Business-, Lebens- und Arbeitswelt notwendigerweise auch zu einem Paradigmenwechsel in der Kommunikation. Denn neben der Vielfalt der technischen Möglichkeiten sind auch die Qualitätsanforderungen an die Kommunikation mit der Digitalisierung deutlich gestiegen. Es gilt, die neuen digitalen Möglichkeiten des Social Web kreativ für die eigene Kommunikation zu nutzen, um sich und sein Angebot bestmöglich zu präsentieren. Dabei muss aber nicht alles, was in den vergangenen Jahrzehnten für Pressearbeit gegolten hat, über Bord geworfen, sondern an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Die grundlegenden Voraussetzungen erfolgreicher Pressearbeit haben sich auch in Zeiten von Big Data und Algorithmen nicht geändert. Pressearbeit bleibt bei aller digitaler Transformation nach wie vor ein zentrales Instrument der Unternehmenskommunikation.
In der Diskussion über die Zukunft der Unternehmenskommunikation liest man häufig die Aussage, dass die digitale Transformation das Ende der klassischen Pressearbeit bedeute. War klassische Pressearbeit vor zehn Jahren noch plan- und kontrollierbar und adressierte mit klaren Botschaften trennscharfe Zielgruppen, hat sich das seitdem grundlegend geändert. In einem der größten gesellschaftlichen Change-Prozesse aller Zeiten ist zwangsläufig auch die Kommunikations- und Medienwelt betroffen. Die Vielfalt digitaler Plattformen ist enorm und variiert je nach Zielgruppe. Klassische Medien, besonders die Printmedien, kämpfen seit Jahren mit den Folgen des digitalen Wandels. Die Digitalisierung verändert das journalistische Arbeiten – immer mehr Themen sollen in immer kürzerer Zeit bearbeitet werden und dies idealerweise gleichzeitig in Print-, Audio- und Videoformaten. Verlage etablieren heute eigene Online-Angebote und kooperieren mit Social Media Plattformen. Journalisten nutzen nach anfänglicher Skepsis zunehmend das Social Web für ihre Arbeit. Die Adressaten sehen sich heute schließlich als „Prosumenten“ mit klaren Erwartungshaltungen und wollen als Dialogpartner auf Augenhöhe respektiert werden.
Und die Entwicklung schreitet weiter voran – hin zu Mensch-Maschine-Interaktionen: wir kommunizieren heute schon selbstverständlich mit digitalen Assistenten wie Siri oder Alexa, liefern im Web oder über Selftracking-Devices und Apps bereitwillig Informationen zu unserem Handeln, Befinden und Denken. Maschinen lernen aber auch immer besser, den Sinn von Sprache und Texten von Menschen zu verstehen, bis hin zu psychologischen Feinheiten. Social Bots finden durch Big-Data-Algorithmen das passende Publikum für ihre Botschaften und beeinflussen unsere Meinungsbildung. Maschinen kommunizieren untereinander, Mensch und Maschine „wachsen immer mehr zusammen“.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Pressearbeit?
Diese Entwicklungen beeinflussen zwangsläufig auch die Pressearbeit. Unternehmen und Organisationen müssen als Kommunikatoren ihre Zielgruppen heute dort ansprechen, wo diese sich gerade aufhalten und informieren. Dabei haben sich die Möglichkeiten und Plattformen vervielfacht und segmentiert. Menschen pendeln selbstverständlich zwischen Offline- und Online-Welt, nutzen unterschiedlichste Plattformen und Geräte, wollen mobil per App ebenso kommunikativ angesprochen werden, wie zu Hause auf dem Sofa oder im Büro. Umso schwieriger ist es, dass die vom Unternehmen ausgesendeten Botschaften auch ihre Adressaten erreichen.
Journalisten nutzen schon immer gerne qualitativ-hochwertiges vorgefertigtes Material von Pressestellen. Doch Pressearbeit ist heute komplexer und anspruchsvoller. Um im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Medien zu bestehen, müssen Unternehmen Journalisten heute mehr bieten als die klassische Pressemitteilung. Visualisierung durch aussagekräftige Grafiken oder ansprechende Fotos, aber auch Audio- und Videoformate gehören heute selbstverständlich zum Repertoire moderner Pressearbeit. Die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, wird zur Grundanforderung an das gesamte Unternehmen und seine Kommunikation: Multi-Stakeholder-Ansprache, ein breites Spektrum von Formaten und intensives Content-Management kennzeichnen ihr neues Aufgabenspektrum. Jahrelang vertrautes Terrain muss verlassen werden zugunsten experimenteller Kreativität, die die Geschichten des Unternehmens transportiert. Nach dem „Storytelling“-Hype der letzten Jahre werden innovative Planungsmethoden wie „Design Thinking“ oder „Business Model Canvas“ als Kommunikationsformate entdeckt. Digitalisierung muss sich auch in der Markenführung widerspiegeln. Es geht darum, die Marke in der digitalen Welt erlebbar zu machen, sich neuen jungen Zielgruppen zu öffnen und dabei neue, unkonventionelle Formate im Markenauftritt zu entwickeln.
Dialogpartner für alle Stakeholder
Das geht einher mit einer intensiveren Pflege der Medienkontakte. Der Zeitdruck, unter dem Journalisten arbeiten, hat durch die Digitalisierung und die steigende Zahl der Medienangebote weiter zugenommen. Umso wichtiger ist es für die Pressearbeit von Unternehmen, Journalisten bei ihrer Arbeit professionell zu unterstützen. Welche Journalisten sind auf welchen Plattformen unterwegs, welche Angebote erwarten sie über welchen (Social) Media-Kanal? Presseverantwortliche müssen mehr denn je in der Lage sein, Beziehungen zu Multiplikatoren wie Journalisten oder Bloggern aufzubauen und zu pflegen.
Von zentraler Bedeutung ist dabei ein leicht auffindbarer, gut strukturierter Pressebereich auf der Website, der sämtliche Angebote für Journalisten in Text, Bild, Ton und Film bündelt und einen gut erreichbaren Ansprechpartner für Rückfragen nennt. Dieser Pressebereich muss responsiv, also auch für mobile Endgeräte optimiert sein.
Mit der digitalen Transformation hat sich auch die klassische Rolle der Kommunikationsabteilung als Sender geändert, sie ist jetzt ebenso Sender wie auch Empfänger und Dialogpartner nicht nur für Journalisten, sondern für sämtliche Stakeholdergruppen. Diese nutzen die Möglichkeit der Kommunikation, z.B. in Foren, Vergleichsportalen oder auf Social Media. Sie können sich jederzeit unkompliziert und schnell im Internet über das Unternehmen, seine Produkte bzw. Leistungen informieren und über das Social Web direkt dazu austauschen. Damit steigen die Anforderungen an die Qualität und Nachprüfbarkeit der Kommunikation. Inhalte der Unternehmenskommunikation müssen hochwertig, informativ oder beratend sein, sie müssen Zielgruppen überzeugen, ihnen echten Nutzen bieten und sie so an das Unternehmen binden bzw. zu neuen Kunden machen. Unternehmen, die dagegen zu werblich kommunizieren, werden nicht erst genommen und verlieren ihre Stakeholder.
Neue Herausforderungen für PR-Experten
Content-Marketing ist ein zentraler Begriff der digitalisierten Kommunikation. Dabei ist das nichts Neues, Aufgabe der PR war es schon immer, sorgfältig erstellte sachliche Inhalte für die relevanten Zielgruppen zur Verfügung zu stellen. Doch nun geschieht dies cross-medial auf verschiedensten Plattformen. Die Herausforderung für PR-Experten liegt darin, die technischen Möglichkeiten der digitalen Medien zu verstehen und zu beherrschen: Online-Plattformen, CM-Systeme, SEO, Conversion-Optimization, Facebook Ads, Google Adwords etc.. Das sind viel komplexere Anforderungen an die PR-Abteilung als früher. Die Digitalisierung hilft aber auch, den gewachsenen Arbeitsumfang schneller, effizienter und zielgruppengerechter zu erfüllen.
Schließlich bedarf es eines intensiven Kommunikationscontrollings, mit dem die Wirkung der umgesetzten Maßnahmen und gewählten Plattformen überprüft und nachjustiert werden kann. Neben klassischer Pressearbeit wird die Online- und Social Media-Kommunikation ausgewertet, auf Optimierungspotenziale untersucht und so ausgesteuert.
Doch Vorsicht: Bevor man nun den neuen technischen Möglichkeiten der Digitalisierung hinterherläuft, gilt es festzustellen, wo sich die anvisierten Zielgruppen informieren und bewegen. Einen mittelständischen BtB-Unternehmer erreicht man höchstwahrscheinlich nicht auf Facebook, Twitter und Instagram, sondern über branchenrelevante (gedruckte) Fachzeitschriften. Denn meistgenutztes Informationsmedium von BtB-Entscheidern ist laut der letzten B2B-Entscheideranalyse der Deutschen Fachpresse (2015/16) noch immer die klassische Fachzeitschrift. Soziale Medien und Blogs im Internet nutzt hingegen nur jeder fünfte Entscheider. Unternehmen sollten sich also auch in Zeiten der Digitalen Transformation in ihrer Pressearbeit nicht daran orientieren, was technisch aktuell möglich ist, sondern vielmehr daran, wo sich ihre eigenen Zielgruppen aufhalten.