Die deutsche Energiewirtschaft hat seit Jahren ein Imageproblem. Sie gilt bei Verbrauchern wie bei potenziellen Arbeitnehmern als wenig vertrauenswürdig, wenig sozial und nicht ausreichend ökologisch orientiert. Schließlich werden Energieversorger in großen Teilen der Bevölkerung als Bremser der Energiewende angesehen. Es gilt, sich entsprechend neu aufzustellen und so das Image des Zukunftsverweigerers abzulegen. Reputation Management hilft dabei, die nachhaltigen Veränderungen der Branche glaubhaft zu kommunizieren.
Neben den vier großen Energiekonzernen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW gibt es in Deutschland mehr als 700 Stadtwerke sowie an die 100 kleinere, private Lokal-Versorger, die die Versorgung der Bürger mit den Grundbedürfnissen Energie sicherstellen. Doch im Gegensatz zum Beispiel zur Automobilbranche erzeugt die Energiebranche nur geringes „Involvement“, d.h. die Konsumenten haben wenig oder keine emotionale Bindung zu ihrem Anbieter. Verbraucher nehmen ihren Energieversorger meist nur über die Strom- oder Gasrechnung zur Kenntnis. Umso unerfreulicher begann das Jahr 2013 für die meisten Bürger mit einer kräftigen Erhöhung der Strompreise um durchschnittlich 12 Prozent. Was den meisten Anbietern nicht gelang, war eine glaubwürdige Kommunikation mit den Kunden und eine nachvollziehbare Argumentation für die deutliche Erhöhung. Das wirkte sich negativ auf die Reputation der Versorger aus. Im Gegensatz zu den vier großen Konzernen besitzen Stadtwerke zwar als sichere und zuverlässige Versorger mit regionaler Bindung eine höhere Reputation, doch grundsätzlich mangelt es der gesamten Branche an Vertrauenswürdigkeit und Sympathie.
Dabei wäre ein positives Image enorm wichtig, denn der größte Umbruch steht dem deutschen Energiemarkt und den Verbrauchern mit der Energiewende erst noch bevor. Während viele Stadtwerke und Lokal-Versorger in Deutschland zunehmend auf Erneuerbare Energien umsatteln, gelten vor allem die großen Vier als konservativ und wenig innovativ. Die “Financial Times Deutschland” zitierte Mitte 2012 aus einer Studie des Beratungsunternehmens Reputation Institute zur Reputation der DAX-Konzerne, wonach die überregionalen Anbieter E.ON und RWE weit hinten zu finden sind.
Energiekonzerne gelten zudem in großen Teilen der Bevölkerung als Bremser der Energiewende. Eine Studie von TNS Infratest vom Juni 2012 befragte 1.000 Bundesbürger zum grundlegenden Wandel im Energiemarkt. Danach werden Energieversorger nur als wenig engagiert bei der Durchsetzung der Energiewende angesehen. Nur 20 Prozent der Befragten gaben an, dass die Energieversorger „sehr viel“ oder „viel“ tun. Dabei sind Anbieter von Ökostrom in den Augen der Bürger am aktivsten, gefolgt von Stadtwerken. Die überregionalen Anbieter E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall werden dagegen als wenig engagiert wahrgenommen. Jeder siebte Bürger ist sogar der Meinung, dass Energieversorger überhaupt nichts für die Energiewende tun.
Auch die Motivation der Energieunternehmen für die Energiewende ist in der Wahrnehmung der Bürger unglaubwürdig. Nur 20 Prozent glauben, dass der Einsatz für Umwelt- und Klimaschutz wirklich die Hauptmotivation ist, 44 Prozent der Befragten nennen dagegen rein wirtschaftliche Gründe (Marktstellung und Profitabilität behaupten, Unternehmensimage verbessern). „Bei den Bürgern kommt nicht viel vom Engagement der Energieversorger an. Bei der ohnehin geringen Reputation der Energiebranche müssen die Versorger ihr Engagement deutlich überzeugender kommunizieren“, kommentierte Apostolos Apergis, Senior Director bei der TNS Infratest Energiemarktforschung, die Ergebnisse.
Arbeitgeberimage der Energiebranche
Auch als Arbeitgeber gelten Energieversorger nach einer aktuellen Studie zum „Arbeitgeberimage Energie“ der Hochschule Koblenz (2012) als wenig attraktiv. Das gilt selbst für den Sektor der Erneuerbaren Energien, der 2008 noch bei über 68% der Befragten die Wunschbranche schlechthin war. Stellensuchenden fehlt es vor allem an guten Aufstiegs- und Entwicklungsperspektiven sowie einer zeitgemäßen Vergütungsstruktur. Auch viele Standorte von Energieunternehmen, insbesondere bei den Erneuerbaren Energien und den Stadtwerken, gelten nicht unbedingt als attraktiv. Oft sind Gründe für die fehlende Attraktivität auch weiche Faktoren: nur 18% der Stellensuchenden empfindet die Branche als sympathisch, 43% verbinden mit ihr ein monopolistisches Verhalten. Auf niedrigem Niveau bewegen sich auch Attribute wie Image, Vertrauen und gesellschaftliche Verantwortung. Versorger müssen demnach dringend an ihrer Reputation als Arbeitgeber feilen, denn das Arbeitgeberimage eines Unternehmens ist nach wie vor Top-Kriterium bei der Wahl eines Arbeitsplatzes.
Bedeutung von Reputation Management
Bundesbürger vertrauen Politik, Parteien, Konzernen, Managern und selbst der Kirche immer weniger. Energieversorger machen da keine Ausnahme. Aber je weiter die Energiewende voranschreitet, umso mehr wird das Involvement der Bürger für das Thema Energieversorgung zunehmen. Einmal verlorenes Vertrauen lässt sich aber nur schwer wieder zurückgewinnen. Umso entscheidender für den Erfolg eines Energieversorgers ist es, bei Kunden und Geschäftspartnern eine Vertrauensbasis zu schaffen und dauerhaft zu pflegen. Das erfordert Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit, Respekt und Gerechtigkeit im Umgang mit anderen – sowie eine Kommunikation, die den Stakeholdern positive Erfahrungswerte verschafft. Versorger müssen ihr Engagement verständlich und glaubhaft kommunizieren und als wesentlichen Bestandteil der Kundenbeziehung ansehen.
Reputation Management befasst sich mit dem Ruf und damit der Vertrauenswürdigkeit eines Unternehmens oder einer Organisation bei ihren Zielgruppen und der Öffentlichkeit allgemein. Dabei geht es um aktive Planung, Aufbau, Pflege, Steuerung und Kontrolle der Reputation. Bekanntheit allein reicht heute nicht, es kommt auf die Qualität der Bekanntheit eines Unternehmens innerhalb einer Stakeholdergruppe an. Vertrauen ist dabei eine zentrale Komponente der Reputation. Reputation Management stimmt die Kommunikation und Handlungen von Unternehmen aufeinander ab. Johannes Rau, ehemaliger Bundespräsident, hat es auf die einfache Formel gebracht: „Tue, was Du sagst, und sage, was Du tust!“
Reputation hängt nicht nur von der Kommunikation nach innen und außen ab, sondern insbesondere vom beobachteten Verhalten des Unternehmens und seiner Akteure (Mitarbeiter, CEOs) gegenüber seinen Zielgruppen und der Öffentlichkeit. Einer Studie von Weber Shandwick („The Company behind the Brand: In Reputation We Trust“) nach sind 60 Prozent des Marktwertes eines Unternehmens von dessen Reputation abhängig, knapp die Hälfte (49 Prozent) der Befragten verknüpfen das Image eines Unternehmens und seiner Produkte mit der Reputation des CEOs. Stellungnahmen und Auftritte von Top-Führungskräften in der Öffentlichkeit nennen sie als maßgebliche Einflussfaktoren für die Unternehmenswahrnehmung.
Wer als Manager eines Versorgungsunternehmens glaubt, es würde ausreichen, mit Hochglanzbroschüren und Kampagnen für ein gutes Image zu sorgen, wird weiter an Glaubwürdigkeit verlieren und Vertrauen verspielen. Denn in Zeiten des Internets und sozialer Netzwerke werden Werbephrasen schnell entlarvt und sofort bestraft. Positive Reputation kann nur entstehen, wenn Reden und Handeln im Einklang stehen. Das erfordert die konsequente Information der wichtigsten Stakeholder sowie eine einheitliche Kommunikation auf allen Ebenen – vom CEO über Marketing/PR bis hin zum Serviceccenter. Die Energiewende und damit verbundene Themen wie Kosten und Infrastrukturprojekte werden die Öffentlichkeit polarisieren. Versorger müssen hierzu klar und offen Stellung beziehen.
Einflussgrößen für die Reputationseinschätzung von Verbrauchern sind heute eine nachhaltige Orientierung, also die Wahrnehmung von Verantwortung gegenüber Umwelt, Mitarbeitern und Gesellschaft, das Corporate Social Responsibility-Engagement eines Unternehmens, aber auch dessen Innovationsfähigkeit, die Kundenzufriedenheit und die Attraktivität als Arbeitgeber. Das Reputation Management von Energieversorgern muss darauf abzielen, diese Aspekte nicht nur zu kommunizieren, sondern auch zu leben. Anbieter, die solche Themen in Kundenkommunikation und Außenauftritt ignorieren, werden als realitätsfremd ignoriert. Dagegen werden solche einen Wettbewerbsvorteil erlangen, die die Energiewende als Chance ansehen und für sich in eine entsprechende Strategie, in überzeugende Produkte und die Pflege ihrer Kundenbeziehung umsetzen.